off heaven and earth

Fotos: Julia Majewski

Misteln, Baumwollgarn, Zapfen
gesammelt, verarbeitet und zurückgegeben in der Menzelstraße, Kassel
2018

Statuetten und Ritualstäbe in einer Schönheit, die mein Einmischen kaum steigern könnte. Der Volksmund gibt meiner Fantasie recht. Er nennt die Mistel auch Allheil, Hexennest, Gespensterrute oder Teufelsbesen. Diese Zuschreibungen weisen auf die Mistel als eine magisch genutzte Pflanze hin, die auch spirituelle Reisen ermöglichte.
Mythen, wie die von Aeneas, der mit Hilfe einer Mistel das Totenreich durchquert zeigen, dass die Mistel als Mittlerin zwischen den Welten gilt. Sicher rührt dieser Glaube von der Tatsache, dass die Mistel ihren kompletten Lebenszyklus in der Luft verbringt. Nie berührt sie den Boden. Auch die Druiden sahen in fallenden Misteln eine besondere Kraft. Der Moment in dem die Mistel weder Teil der wachsenden noch der verwesenden Natur ist, in dem die Mistel weder in den Lüften hängt noch auf dem Boden liegt, galt als der Augenblick ihrer größten magischen Kraft. Es ist dieser Moment der Verwandlung und des Übergangs, den die Druiden zu konservieren suchten, in dem sie Misteln mit goldenen Sicheln ernteten und mit weißen Tüchern auffingen. Denn hatte die Mistel einmal den Boden berührt, verlor sie all ihre Kräfte – der Moment der Verwandlung war abgeschlossen.
Die Hängung der Misteln nur Zentimeter über dem Boden konserviert den magischen Zustand dieser Pflanzen und offenbart dessen Vergänglichkeit. Die Schnitzereien und Brandzeichnungen auf dem Astholz formen Statuetten in rituellen Körperhaltungen. Diese Haltungen nahmen Menschen ein, um sich bewusst auf geistige, tranceinduzierte Reisen zu begeben.

Mistletoe, cotton yarn, cones
collected, processed and returned in Menzelstraße, Kassel
2018

Mistletoe fell from the trees of Menzelstraße in the spring storms. I was fascinated by these formations that spoke directly to my imagination: I saw dragons, dancing statuettes and ritual staffs in a beauty that I could hardly enhance with my meddling. The vernacular proves my imagination right. He also calls mistletoe all-holy, witches‘ nest, ghostly rod or devil’s broom. These attributions point to mistletoe as a magically used plant that also facilitated spiritual journeys.
Myths such as that of Aeneas, who crosses the realm of the dead with the help of mistletoe, show that mistletoe is regarded as a mediator between the worlds. This belief certainly stems from the fact that mistletoe spends its entire life cycle in the air. It never touches the ground. The druids also saw a special power in falling mistletoe. The moment when mistletoe is neither part of growing nor decaying nature, when mistletoe neither hangs in the air nor lies on the ground, was considered the moment of its greatest magical power. It is this moment of transformation and transition that the druids sought to preserve by harvesting mistletoe with golden sickles and gathering it with white cloths. For once the mistletoe had touched the ground, it lost all its powers – the moment of transformation was complete.
The hanging of the mistletoe only centimetres above the ground preserves the magical state of these plants and reveals its transience. The carvings and burnings on the branch wood form statuettes in ritual postures. People adopted these postures to consciously embark on spiritual, trance-induced journeys.